Anzeige
 Drucken  Zurück

Kantate „Wie lieblich sind auf den Bergen“

Tann

„Bach in der Tanne“[1]

200. Todestag von Johann Michael Bach (1745-1820), dem „Tanner Bach“

Wer an Bach denkt, denkt an Musik. Allen voran steht Johann Sebastian Bach (1685-1750). Er war aber nur ein Musiker aus dem weitverzweigten Bach-Geschlecht, deren Mitglieder das musikalische Leben Mitteldeutschlands maßgeblich prägten, wenngleich auch die überragendste Gestalt. Doch vor, neben und auch nach ihm hat es noch eine ganze Reihe namhafter und bekannter Musiker gegeben. Zu ihnen zählt auch Johann Michael Bach (1745-1820). Er gehört zu den wenigen Mitgliedern der Bach-Familie, deren Leben sich nicht ausschließlich im geographisch engräumigen Thüringen abspielte: Johann Michael hielt sich „daheim im Vaterlande, bald auch in England und selbst auf dem fernen Hoffnungs-Kap“ [...] ebenso auf wie „in entlegenen Gegenden Teutschlands [sic!] und in der Schweiz“[2]; und überall war er als Musiker tätig – auch in Tann.

Zwei längere Phasen seines Lebens, nämlich von 1768 bis 1778 und dann noch einmal von 1785 bis 1795 hat er als Kantor die Kirchenmusik in unserer Rhönstadt entscheidend mitgeprägt. Hier entstanden die meisten seiner Kantaten und viele seiner weiteren Werke hat er hier aufgeführt.

Ein echter Bach in Tann! Das bedeutet Verpflichtung und Verantwortung, damit Johann Michaels Erbe an seiner ehemaligen Wirkungsstätte bewahrt wird. Die meisten seiner Werke ruhten allerdings Jahrhunderte lang unbeachtet in diversen Bibliotheken über ganz Europa verteilt. In den vergangenen Jahren hat sich die Tanner Kirchenmusik ihrer angenommen und in Gottesdiensten und Konzerten Kantaten, Lieder, Tanzsätze und Klavierwerke teilweise nach über 220 Jahren zum ersten Mal überhaupt erst wieder zum Klingen gebracht.

Wie aber muss man sich deren Genese von der Auffindung bis zur Aufführung vorstellen? Kantor Thomas Nüdling, gewissermaßen aktueller Nachfolger Johann Michael Bachs an der Tanner Stadtkirche, erklärt das so: „Bei der Durchschau diverser musikwissenschaftlicher Kataloge, insbesondere deren stets aktualisierter Online-Version, stößt man selten, aber doch immer wieder mal auch auf bisher unbekannte Werke des Tanner Bach. 2018 sind sechs Klaviersonaten in Cambridge (Großbritannien) aufgetaucht.“

Nach Rücksprache mit den zuständigen Bibliotheken und Archiven konnte er diese Handschriften oder Drucke in Kopie erwerben und daran schon schnell erkennen: „Das ist echter Tanner Bach; und wenn nicht anhand der Handschrift, so doch durch die Musik, denn diese hat ihren ganz eigenen Charakter“, so Nüdling.

„Liegt die Handschrift vor, muss Note für Note, Wort für Wort und Zeichen für Zeichen einzeln in den PC eingegeben werden. Anschließend folgen mehrere Korrekturdurchgänge.“ Der zeitliche Aufwand für eine einzige Kantate bis zur Vorlage des entsprechenden Notenmaterials beträgt je nach Umfang etwa 150 bis 200 Arbeitsstunden. Zuletzt sind die Musiker gefragt: Der Kirchenchor Tann samt Orchester und Solisten hat in den vergangenen 12 Jahren alle bisher elf bekannten Kantaten aufgeführt. Das dürfte allerdings nur ein Bruchteil dessen sein, was Johann Michael Bach in Tann tatsächlich komponiert hat. Beim großen Tanner Stadtbrand im Jahre 1879 fiel auch die Georgenkirche samt Inventar den Flammen zum Opfer; dazu gehörte auch der Notenbestand der Tanner Kantorei, der auch einige Werke Johann Michaels enthalten hat. Überraschungen dürften aber internationale Bibliotheken immer wieder bereit halten, so dass uns die ein oder andere „Neukomposition“ des Tanner Bach in Zukunft erfreuen könnte, sagt Nüdling.

Gemeinsam mit Imka Heinzeroth, Susanna Leubecher, Kerstin Schuch, Uwe Seitz und Anna Ziert hat er ein Programm zusammengestellt und organisiert, mit dem man im Jahre 2020 unter dem Titel „Bach 2020“ des 200. Todestages Johann Michaels gedenken will. Dazu gehören ein über das ganze Jahr verteilter Kantatenzyklus, Projektchöre und ein Festwochenende. „Viele Musiker der Region sind daran beteiligt und lassen auf ein klangvolles Jahr 2020 hoffen“, sagt Susanna Leubecher. Und weil Tann die einzige Wirkungsstätte eines Musiker der Bachdynastie auf heutigem hessischem Territorium ist, hat der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier auch sehr gerne die Schirmherrschaft über die Veranstaltungen von „Bach 2020“ übernommen.

Kooperationspartner von „Bach 2020“ sind die Theologische Fakultät Fulda, (deren Professoren, Studenten und Absolventen Impulse zu den Kantaten geben,) die Wigbertschule Hünfeld, (deren Schülerinnen und Schüler pädagogisch in die kulturelle Arbeit eingebunden werden und die technische Betreuung der Veranstaltungen übernehmen), der Kultur- und Geschichtsverein, dem die lokale Verankerung des „Tanner Bach“ besonders am Herzen liegt.

Förderer und Unterstützer sind das Land Hessen, der Landkreis Fulda, die Stadt Tann, die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, der EDEKA-Markt Wolf Tann, der Sprengel Hanau-Hersfeld sowie die Kirchenmusikstiftung Ziegler.

Mit einem festlichen Konzert eröffnen der Kirchenchor Tann und das Rathgebersensemble Fulda mit Alexander Summa (Bass) das Jubiläumsjahr „Bach 2020“ am Sonntag, 5. Januar 2020 um 17 Uhr in der Tanner Stadtkirche. Unter der Leitung von Kantor Thomas Nüdling wird neben weihnachtlichen Werken von Johann Sebastian Bach, Peter Cornelius u.a. auch Johann Michael Bachs Kantate zum Epiphanias- bzw. Dreikönigsfest „Mache dich auf, werde licht“ aufgeführt. Die Pröpstin des Sprengels Hanau-Hersfeld, Sabine Kropf-Brandau wird zur Kantate einen Impuls gestalten.

 

[1] Bezeichnung Johann Michael Bachs auf der Titelseite seiner Kantate „Jauchzet dem Herrn“

[2] Auszug aus dem Nachruf in der „Allgemeinen Zeitung“ Elberfeld vom 15. Juni 1820

Anzeige